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Dirk Mobers, Nahwärmeexperte bei der EnergieAgentur.NRW. (Foto: Stadtwerke Essen / Lokomotiv)

Nahwärmesysteme sind energieeffizient

Nahwärmesysteme bieten die Chance, Quartiere und Betriebe energieeffizient, umweltfreundlich und kostensparend mit Wärme zu versorgen. Das Prinzip: Ein zentraler Wärmeerzeuger beliefert über ein eigens angelegtes Nahwärmenetz mehrere Gebäude. Im Interview erklärt Dirk Mobers, Leiter des Themenfelds Energieeffizientes und Solares Bauen bei der EnergieAgentur.NRW, die Vorteile und Möglichkeiten.

Herr Mobers, welche Vorteile haben Nahwärmesysteme im Vergleich zu anderen Heizsystemen?

Nahwärmesysteme bieten in der Regel eine günstige Heiz- und Warmwasserversorgung mit einer guten CO2-Bilanz. Dabei ist für die Technik im Keller nur wenig Raum erforderlich – die Übergabestation mit dem Wärmemengenmesser und einem Wärmeüberträger ist überaus kompakt.

Da keine Verbrennung innerhalb der eigenen vier Wände stattfindet, werden nicht nur die Kosten für den Schornstein und Schornsteinfeger, sondern auch für die Wartungsarbeiten der Heizanlage gespart. Beschaffung, Vorfinanzierung und Lagerkapazitäten für die Brennstoffe entfallen ebenfalls, und die Versorgungssicherung liegt beim Nahwärmenetzanbieter.

Welche Einsparungen lassen sich durch Nahwärme erzielen?
Die Frage lässt sich so pauschal nicht beantworten. Die Bilanzierung muss immer im Kontext der jeweiligen Rahmenbedingungen des Versorgungsgebietes gesehen werden. Hierbei spielen die vorliegende Gebäudesubstanz und die bis dato eingesetzte Heizungsanlagentechnik eine ebenso große Rolle wie die geplante Nahwärmenetzstruktur.

Für die CO2-Einsparung ist der verwendete Energieträger von entscheidender Bedeutung. Gerade hier besitzt die Nahwärme den Vorteil, dass sich KWK-Technik und regenerative Energien günstig einbinden lassen. In Zukunft kann vielleicht auch regenerativ erzeugter Strom aus Überproduktionsphasen dazu beitragen, die CO2-Emissionen in Nahwärmenetzen weiter zu reduzieren. 

Ab wann und für wen lohnt sich ein Nahwärmesystem?
Nahwärmesysteme lohnen sich beispielsweise besonders dort, wo eine bestehende Abwärmequelle genutzt werden kann und eine entsprechende Wärmebedarfsdichte auf der Abnehmerseite vorhanden ist. Abwärme kann hierbei unter anderem aus Industrieprozessen oder aus der Erzeugung mittels Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kommen. Je nachdem wie die Konfiguration des Nahwärmenetzes ist, können unterschiedliche Verbrauchertypen angeschlossen werden – vom einfachen Einfamilienhaus bis zum Gewerbebetrieb ist da alles möglich.

Welche technischen Voraussetzungen sind zu erfüllen?
Der Grundaufbau eines Nahwärmesystems besteht aus einem Wärmeerzeuger beziehungsweise einer Abwärmequelle und dem Nahwärmenetz, an welches die Verbraucher angeschlossen werden. Das Nahwärmenetz besteht hierbei stets aus einem Mehrleitersystem, welches im Normalfall mit Wasser als Wärmeübertragungsmedium betrieben wird. Das Temperaturniveau wird vom Bedarf der Verbraucher bestimmt.

Je höher die Vorlauftemperatur gewählt wird, umso größer werden die Verteilverluste. Ein geringeres Temperaturniveau führt hingegen – bei gleichbleibendem Wärmebedarf – zu einer Vergrößerung der Leitungsquerschnitte und der benötigten Pumpenleistung. Sinkt das Temperaturniveau im Netz so weit, dass beim Verbraucher eine Warmwassertemperatur von 60 Grad Celsius für den Legionellenschutz nicht mehr erreicht wird, muss zusätzlich eine entsprechende dezentrale Warmwasserbereitung vorgesehen werden. Auch solche Grenzen sind bei der Optimierung des Netzes zu berücksichtigen.

BHKW, Geothermie, Solarthermie – welche Wärmequelle empfiehlt sich für ein Nahwärmesystem?
Die optimale Heizungsart lässt sich nicht über eine bestimmte Technologie definieren. Auch hier hängt die bestmögliche Wahl erheblich von den bestehenden Rahmenbedingungen des Versorgungsgebietes ab: Welche Energieträger sind vorhanden? Was für ein Temperaturniveau muss erreicht werden? Wie ist die Wärmebedarfsdichte, Gebäudestruktur und so weiter. Grundsätzlich lassen sich Nahwärmenetze mit verschiedensten Wärmeerzeugern sowie einer Kombination aus diesen realisieren.
So kann die Erschließung eines geothermalen Hochtemperaturgebiets Vorteile gegenüber der Nutzung von Solarthermie im selben Versorgungsgebiet besitzen oder durch diese eine effektive Ergänzung erfahren. Ebenso bietet der gezielte Einsatz von Pufferspeichersystemen eine Möglichkeit zur Flexibilisierung des Gesamtsystems. Bei einer ausreichenden Grundlast sollte über ein BHKW nachgedacht werden. Ein prinzipieller Vorteil eines Nahwärmesystems ist es ja gerade auch, dass sich die Energiequelle einfacher wechseln lässt und so auch auf technische und ökonomische Entwicklungen reagiert werden kann.

Lassen sich Nahwärmesysteme auch nachträglich in einer Siedlung einbauen?
Nahwärmesysteme lassen sich grundsätzlich auch in Bestandsgebieten realisieren. Im Zuge einer wirtschaftlichen Betrachtung treten hier jedoch besonders die Kosten für die Trassenverlegung in den Vordergrund, welche im Gegensatz zum Neubaugebiet ungefähr doppelt so hoch ausfallen. An dieser Stelle können notwendige oder geplante Erneuerungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen von Mediennetzen, Heizungsanlagen oder im Kanal- und Straßenbau positive Synergieeffekte bedeuten. Wichtig ist hier, die Eigentümer des Versorgungsgebietes mit einzubinden, da die Wirtschaftlichkeit natürlich auch von der Wärmeabnahmemenge und -dichte abhängt. Ein Anschluss- und Benutzungszwang, wie er zum Beispiel in Dänemark im Bestand auferlegt werden kann, ist in Deutschland nicht durchsetzbar.

Welche öffentliche Förderung gibt es für Nahwärmesysteme?

Vorweg: Bei den Förderprogrammen ist es wichtig, ob die Nahwärmenetze aus erneuerbaren Energien versorgt werden oder ob es sich um Nahwärmenetze handelt, die Anspruch auf Förderung nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) oder dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) haben. Das Förderprogramm progres.nrw des Landes NRW bietet in diesem Zusammenhang unter anderem eine Förderung für gewerbliche Anlagen zur Verwertung von Abwärme, Wärmeübergabestationen, Wärme- und Kältespeicher sowie Wärmenetze an.

Wie bekommt man in einer Siedlung oder im Gewerbegebiet unterschiedliche Immobilieneigentümer beziehungsweise Unternehmer dazu, ein gemeinsames Nahwärmenetz zu installieren und zu nutzen?
Oft bedarf es eines Treibers, der ein solches Vorhaben bewirbt, darüber berät und letztendlich in die Umsetzung bringt. Ein „Wir-Gefühl“ in der jeweiligen Gemeinschaft ist oft wichtig. Die Entlastung von Klima und Umwelt und eine regionale Wertschöpfung durch die Einbindung regionaler Akteure und Energieträger können hierbei ebenso Motivationsgründe sein wie ein effizienter Betrieb, über den Energie und Kosten eingespart werden können. Aber auch Preisstabilität, Versorgungssicherheit und erhöhter Komfort sind für den Anschlussnehmer wichtig. Oft führt der Anschluss an die Nahwärme zu einer besseren Einstufung von Gebäuden im Energieausweis.

Welche Rolle können Stadtwerke bezüglich eines Ausbaus von Nahwärmenetzen spielen?
Ich habe gerade von den Vorzügen eines Treibers gesprochen – Stadtwerke können diese Rolle als originärer Know-how-Träger im Bereich Planung, Umsetzung und Betrieb als Energieversorger einnehmen. Eine Partnerschaft mit Kommunen und Genossenschaften ist ebenso denkbar wie die Übernahme der Funktion eines Wärmelieferanten/Contractors. Dabei sichert ein erfahrener Partner wie die Stadtwerke einen kosten- und energieeffizienten Betrieb.

Wie unterstützt die EnergieAgentur.NRW Nahwärmesysteme?
Im Rahmen der Kampagne „KWK.NRW – Strom trifft Wärme“ unterstützen und begleiten Experten der EnergieAgentur.NRW Projekte zum Ausbau und zur Verdichtung von Nah- und Fernwärme in NRW. Denn die Nah- und Fernwärme stellt eine der effizientesten Technologien zur großflächigen Wärmeversorgung dar und birgt mit die größten Potenziale zur Einsparung von Rohstoffen und zur CO2-Reduzierung. Im Mittelpunkt der Beratung stehen daher vor allem Fragen zur Umsetzung, Förderung und Finanzierung von Wärmenetzen.

„KWK.NRW – Strom trifft Wärme“ ist eine Informationskampagne, die das von der Landesregierung NRW angestrebte Ziel, mindestens 25 Prozent KWK-Anteil an der Stromerzeugung bis 2020 umzusetzen, unterstützt, indem sie die Kraft-Wärme-Kopplung, ihren Nutzen und ihre Einsatzmöglichkeiten in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Dabei setzt die EnergieAgentur.NRW auf die Erfahrungen und Kompetenz der Branche. Gemeinsam mit den Stadtwerken Essen und über 130 Partnerinnen und Partnern aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Verbänden, öffentlicher Verwaltung und weiteren Einrichtungen aus NRW bündelt die Kampagne viele Aktionen und Maßnahmen rund um die Kraft-Wärme-Kopplung sowie die Nah- und Fernwärme.

Über Förderinstrumente, Informationsveranstaltungen, Projekte und umgesetzte Best-Practice-Beispiele informiert unter anderem auch die Homepage www.kwk-fuer-nrw.de. Der dort verankerte „Marktführer.KWK“ bietet zudem eine neutrale und unabhängige Übersicht als Orientierungshilfe auf der Suche nach geeigneten Dienstleistern, Finanzierern, Contractoren, Fernwärmeanbieter und anderen.


Ansprechpartner bei den Stadtwerken Essen zum Thema Contracting/Nahwärme:

Andreas Reinl
Tel. 0201/800-1415
E-Mail: andreas.reinl@stadtwerke-essen.de